Hockenheim wurde kastriert

Früher war Hockenheim der Inbegriff von High-Speed mit der Ostkurve als Höhepunkt. Doch nach dem Umbau wirkt der Kurs wie eine Micky Maus Piste

Bilder_Festschrift_HoRi_75_Jahre_Ostkurve_08_05_1949 Die erste Strecke in Hockenheim wurde 1932 innerhalb von nur drei Monaten als 12 km langer Dreieckskurs auf unbefestigten Waldwegen angelegt, als Ersatz für die behördlich gesperrte Karlsruher Wildpark-Rennstrecke. 1938 wurde die Strecke auf 7,69 km verkürzt und in Kurpfalzring umbenannt. Die Strecke bestand aus einer Spitzkehre in der Ortschaft Hockenheim und einer Hochgeschwindigkeitsstrecke im Wald mit nur einem großen Bogen, der Ostkurve. „In der Kurve verschiebt einem die Fliehkraft bei 290 den Kiefer“, so der damalige ATS Pilot Marc Surer 1980. Durch den Autobahnbau in den 1960ern wurde die Rennstrecke zerschnitten und die Spitzkehre fiel weg. Als neuer Westteil wurde 1964 das Motodrom gebaut als Kontrast zur schnellen Strecke im Wald. Der Formel-1-Zirkus machte 1970 erstmals in Hockenheim Station, weil die Fahrer die Nürburgring-Nordschleife kurzfristig boykottiert hatten.

HockenheimUmbau nach Unfall

Erstmals umgebaut wurde die Ost nach dem Todessturz von Lotus-Superstar Jim Clark, der 1968 bei einem Formel-2-Rennen starb. Clark, der zum ersten Mal auf der badischen Piste war, klagte über Handling-Probleme seines Lotus 48 und startete nur als Siebter. Zu Beginn der fünften Runde lag der Schotte auf Platz acht und auf dem Weg zur Ostkurve – die Schikane gab es damals noch nicht – brach sein Lotus aus und raste in den Wald. Der Champion zog sich beim Aufprall gegen die Bäume tödliche Verletzungen zu und starb nur wenige Minuten später in den Händen der Notärzte. Die Welt des Motorsports ist geschockt. Zwölf Jahre nach Clarks Tod erwischt es Patrick Depailler. Nach mehreren Monaten Reha-Therapie infolge eines Absturzes beim Drachenfliegen am Pfingstsonntag 1979, gibt der Franzose im Januar 1980 sein Comeback bei Alfa Romeo. Das italienische Team hatte ihn vor allem wegen seiner Fähigkeiten einen Wagen zu entwickeln verpflichtet. Depailler brachte das Team tatsächlich voran und die Alfas klassierten sich regelmäßig im Qualifying in den Top-10, auch wenn Defekte vorerst Rennerfolge zunichte machten. Er selbst konnte die Früchte seiner Arbeit aber nicht mehr ernten, denn bei Testfahrten in der Ostkurve verunglückt er tödlich.

Hockenheimring heuteUm 11 Uhr geht Depailler nach einem Getriebetausch erneut auf die Strecke, doch die Stoppuhren laufen ins Leere. Als sich die Mechaniker zu Fuß aufmachten die Strecke abzusuchen, fanden sie in der Ostkurve den Alfa mit den Rädern nach oben hinter den Leitplanken. Als nach 20 Minuten der Notarzt endlich eintraf, hatte das Team Depailler bereits aus dem Auto geborgen. „Er lag bewusstlos am Boden, bewegte sich aber noch. Die Pupillen seiner Augen öffneten und schlossen sich ständig, und ein Stück von Patricks Helm lag auf dem Asphalt. Aus dem Helm war ein großes Teil an der Stirnseite herausgebrochen,“ erinnert sich Teamkollege Bruno Giacomelli. In der Uniklinik Heidelberg stellte man neben mehrfachen Brüchen an Armen und Beinen einen Schädelbasisbruch und schwere innere Blutungen fest. Noch bevor die Spezialisten operieren konnten, starb der Franzose, auf den Tag genau 21 Jahre nach seinem großen Idol Jean Behra. Die Unfallursache wurde nie vollständig aufgeklärt, aber Schleifspuren auf dem Asphalt im Kurveneingang deuteten auf einen Materialbruch – wahrscheinlich des Querlenkers oder der aerodynamischen Schürzen – hin. Nach seinem tödlichen Unfall wurde die Ost durch eine Schikane weiter entschärft.

Kastration statt Erneuerung

Im Jahr 2002 kam es dann noch einmal zu einem großen Umbau, weil die langen Geraden und die hohe Streckenlänge als nicht mehr zeitgemäß empfunden wurden. Daher wurde der Kurs aus Sicherheits- wie auch aus kommerziellen Gründen drastisch verkürzt. Die Zuschauerkapazität wurde von 83.000 auf 120.000 Plätze erhöht. In seiner neuen Variante zählt der von Hermann Tilke entworfene Hockenheimring zu den modernsten Rennstrecken der Welt. Die Umbauten, die über 60 Millionen Euro gekostet haben, und das rückläufige Interesse der deutschen Motorsportfans führten jedoch dazu, dass sich der Hockenheimring eine jährliche Ausrichtung des Formel-1-Rennens nicht mehr leisten konnte. Also verständigte man sich mit dem ebenfalls in einer ähnlichen Situation befindlichen Nürburgring darauf, den Deutschland-Grand-Prix ab 2007 alternierend auszutragen.

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