Am 20. Mai 2019 haben wir mit Niki Lauda den wohl größten Rennfahrer in Österreichs Geschichte verloren. Anlässlich seines Todestages bringt Formelaustria das Exklusivinterview unseres Herausgebers Harry Miltner mit „Niki Nazionale“ für seinen Bestseller „Helden der Ringe“ über die 16 rot-weiß-roten Piloten in der Königsklasse
Niki, als Du mit dem Rennfahren anfangen wolltest, fehlte Dir das Geld, obwohl Du aus einer wohlhabenden Familie stammst …
Von meiner Familie bestand keine Bereitschaft mich zu unterstützen, was eh logisch war. Also habe ich alles selbst gemacht, worin ich ohnehin gut war. Ich fand recht rasch eine Bank, die mich finanzieren wollte, allerdings mischte sich mein Großvater in letzter Minute ein und der Deal wurde abgeblasen. Ich ging zur nächsten Bank und versprach ihnen eine Lebensversicherung, falls ich einen bösen Unfall haben sollte. So gaben sie mir den Kredit und ich konnte loslegen.
Die Frage war nicht unberechtigt, denn in den 1970er- und 1980er-Jahren war die Formel 1 von Crashes und vielen Todesfällen geprägt. Hast Du Dir darüber nie Gedanken gemacht?
Ob ich Tennis oder Golf spiele, Formel 1 fahre oder Abfahrtsläufer bin, im Leistungssport musst Du immer ans Limit gehen, wenn Du erfolgreich sein willst. In meiner Anfangsphase in der Formel 3 gab es das Risiko mit den kleineren Autos nicht, erst später in der Formel 1. Damit musst Du Dich auseinandersetzen und trotzdem fahren – die Freude überwiegt das Risikobewusstsein. Wenn Du erlebt hast, wie ein Konkurrent stirbt, hast Du Dir gesagt, diesen Fehler darfst Du nicht machen. Es war ein stetiger Kampf, diese Autos an der Grenze zu bewegen und gleichzeitig am Leben zu bleiben.
Brauchte man damals eine gewisse Abgebrühtheit?
Natürlich. Wenn einer mit der Rettung ins Fahrerlager gebracht wird, bei dem die Leitschiene aus dem Körper ragt, wie damals bei François Cevert, dann hat das eine Schockwirkung.
Wie löst man den Schock wieder?
Indem man für sich eine Lösung sucht, dass einem das nicht passieren darf. Meine Konsequenz war damals: Fahrfehler darfst Du nicht machen, sonst bist Du tot. Konzentriere Dich und mach es einfach besser. Du musstest diese Probleme, die damals tagtäglich waren, mit Dir selbst ausmachen.
Welche Auswirkung hatte der Feuerunfall auf Dein Leben?
Der Nürburgring war ein wichtiger Einschnitt in meinem Leben. Wennst so kurz vorm Abkratzen bist, überlegst schon so einige Dinge. Alle Fahrer hatten vorher die Hosen voll, auch die anderen Champions. Aber ich war eben der Einzige, der sich das auch sagen getraut hat. Angst gibt es immer wieder – die kommt ganz von allein. Die Frage ist, wie Du sie bewältigst. Du überwältigst sie im Vertrauen auf Deine Möglichkeiten. Sorgen musst Du Dir nur machen, wenn sich einer vor Dir dreht oder etwas am Wagen kaputt geht.
Nach dem Unfall und dem Comeback warst Du noch berühmter. Wie bist Du damit umgegangen?
Meine Popularität war schon sehr groß. Noch mehr hätte ich wirklich nicht gebraucht und ich musste mich schon manchmal verstecken. Zum Glück gab es damals noch kein Social Media, denn 99 Prozent der Inhalte dort sind Müll. In Wien ging es gut, weil ich immer in die gleichen Restaurants gegangen bin und dort irgendwann keine Sensation mehr war. Unangenehm war es in südlichen Ländern. Keine Ahnung, wie viele tausend Fotos ich schon mit italienischen Kellnern gemacht habe. Aber das war ich den Menschen schuldig.
War es Dir wichtig, berühmt zu werden?
Überhaupt nicht. Ich wollte Rennen fahren und gewinnen. Ob ich dabei berühmt werde, habe ich nicht überlegt, weil es mir wurscht war.
Sechs Wochen nach Deinem Unfall bist Du in Monza wieder am Start gestanden. Wie war das Gefühl?
Am ersten Tag, wo ich nicht fahren konnte, gingen mir Bilder durch den Kopf, Nicht vom Unfall, sondern ich habe immer gedacht, ich fahre unter einer Leitschiene durch und mir reißt es den Kopf ab (Landsmann Helmut Koinigg war 1974 beim US Grand Prix so gestorben). Den Unfall selbst musste ich selbst nochmals durchleben, um wieder fahren zu können. Ich musste die Angst wieder ablegen, um die Risikobereitschaft zurückgewinnen, um wieder so zu fahren, wie vorher. Was mir dann ja auch – mit Hilfe von Willi Dungl – gelungen ist. Er kümmerte sich um meine Physis, ich um meine Psyche.
Wer waren Deine härtesten Gegner?
Meine härtesten Gegner waren Alain Prost und Clay Regazzoni – Prost allerdings zehnmal mehr. Clay hatte jedes Jahr ein Rennen, das Du ihn gewinnen lassen musstet. Da war er unschlagbar. Aber dann hat er wieder leichte Fehler gemacht oder ist einfach nicht schnell gewesen. Bei Prost war das anders. Der Alain war der schnellste Teamkollege, den ich je hatte, vor allem im Qualifying. Und er konnte die Rennen sehr gut lesen.
Und James Hunt?
Der Hunt war ja ein absoluter Topfahrer. Der war nicht irgendjemand. Der ist mir richtig auf die Nerven gegangen, wie der dann Ende des Jahres 1976 mit seinem McLaren ein Rennen nach dem anderen gewonnen hat. Also der hat mich mit seiner Leistung eigentlich zu meinen Höchstleistungen getrieben. So wie das auch heute noch im Sport notwendig ist. Und das hat eigentlich den James ausgemacht. Er war einfach gut.
Dann kamen der Wechsel zu Brabham-Alfa und der plötzliche Abschied …
Meine letzte Saison bei Ferrari war – trotz des zweiten WM-Titels – die schlimmste. Ich litt immer noch unter ihrer Reaktion nach meinem Unfall und, dass sie (Carlos) Reutemann geholt hatten, den ich nicht wollte. Ich wollte nur noch den Titel holen, um ihnen zu beweisen, dass sie sich geirrt hatten, und dann sofort raus, etwas anderes machen. Bernie (Ecclestone) bot mir einen tollen Vertrag und ich nahm die neue Herausforderung an. Aber in der zweiten Saison lief es nicht mehr. Ich bin in 13 Rennen elfmal ausgefallen, hatte den Kopf nicht mehr in der Formel 1, sondern viel mehr bei meinen Fliegern. Dann hab ich mich mit Bernie besprochen und bin ausgestiegen.
Wieso ist es so schwierig ein Fahrer bei Ferrari zu sein?
Als ich zu Ferrari gekommen bin und ihre gigantischen Möglichkeiten gesehen habe, fragte ich mich, warum die nicht jeden Grand Prix mit Rundenvorsprung gewinnen. Schon allein die eigene Teststrecke in Fiorano war ein enormer Vorteil. Aber wahrscheinlich hat sich der Jacky Ickx hier immer nur in die Sonne gelegt. Ferrari war früher ein Tollhaus der Politik, was man absolut nicht unterschätzen darf. Da kann der beste Mann scheitern, wenn er kein politisches Gespür entwickelt. Wichtig ist, dass sich die Ferrari-Politik immer nur auf Emotionen ausrichtet – und da hilft oft schon ein einziger Sieg, auch wenn der zufällig passiert, und alles ist wieder in Ordnung.
Aber 1982 wolltest Du wieder im Kreis fahren!
Ich war im Sommer 1981 TV-Experte beim Österreich GP und da setzte mir Ron Dennis (McLaren Teamchef) einen Floh ins Ohr. Ich sprach danach mit Willi Dungl und er meinte, ich müsste noch einiges trainieren für ein Comeback. Dann haben wir mit einem Fitness-Programm begonnen und als ich soweit war, traf ich mich in Monza mit Ron und wir vereinbarten Testfahrten, weil ich einfach wissen wollte, ob ich mit den neuen Autos noch konkurrenzfähig war. Die jungen Piloten -von (Didier) Pironi über (Keke) Rosberg bis (Alain) Prost – versetzten mich jetzt nicht in Angst und Schrecken. Ich fuhr einen Test in Donington, war körperlich noch nicht fit genug, aber am Nachmittag von der Zeit bis auf ein Zehntel an Stammfahrer John Watson dran. Das genügte mir, um zu wissen, dass ich zurückkommen kann. Ich wusste auch, dass Porsche als Motorenlieferant einsteigen würde und das Projekt interessierte mich sehr. Daher ging ich zu McLaren.
Als Du in die Formel 1 zurückkamst, was war da am schwierigsten?
Das Schwierigste bei meinem Comeback in den Achtzigern waren die Autos. Die Schürzenautos waren unangenehm zu fahren, hüpfen wie die Geißböcke und waren total schwer abzustimmen. Anders als früher habe ich diese Autos nur mehr zu 90Prozent beherrscht. Die restlichen 10Prozent hat das Auto mich beherrscht. Da half nur Gottvertrauen.
Aber Du hast am Ende mit McLaren Deinen dritten WM-Titel geholt …
Meine Zeit bei McLaren war nicht einfach, vor allem gemeinsam mit Prost. Ron Dennis ist ein Schlitzohr und 1984 waren die meisten im Team für Prost. Wenn er gewonnen hat, haben alle gejubelt, wenn ich Erster wurde, haben alle böse geschaut. Wenn ich Weltmeister werde, heißt es, der Lauda ist Champion. Wenn Prost siegt, heißt’s McLaren hat den Titel geholt. Das habe ich schon bei Ferrari erlebt. Die Formel 1 war damals britisch-französisch dominiert. Der FIA-Präsident war mit Monsieur Balestre ein Franzose. Der hatte schon vor dem Saisonfinale in Estoril T-Shirts mit der Aufschrift Prost – Frankreichs F1 Weltmeister drucken lassen. Als er mir dann den Pokal geben musste, schaute er mich ganz grimmig an.
Kannst Du Dich noch an den alles entscheidenden Grand Prix in Estoril erinnern?
Natürlich. Das Rennen war der reinste Horror. Nicht wegen mir, sondern weil das Auto einfach nicht vom Fleck kam (später stellte sich heraus, dass der linke Turbolader defekt und die Ölpumpe abgebrochen waren). Bis zur 27. Runde bin ich hinter dem Johansson festgesteckt. Nachdem ich dann endlich an ihm, Alboreto, Rosberg und Senna vorbei war, stellte ich fest, ich bin nur Dritter. Prost führt und Mansell ist Zweiter. Ich hatte 39 Sekunden Rückstand auf den Lotus, aber nur mehr 35 Runden. Das konnte ich nur mit wahnsinnigem Einsatz wettmachen. Als ich Mansell dann fast eingeholt hatte, sah ich plötzlich seinen Lotus am Rand stehen. Aber anstatt erleichtert zu sein, hatte ich nur Angst. Angst, dass jetzt der Sprit ausgeht oder irgendwas komplett kaputtgeht, weil ich das ganze Rennen wie ein Mörder gerast bin. Ich hab sogar mit meinem Auto gesprochen. Aber es hat gereicht.
Welcher der drei war der wichtigste WM-Titel?
Der dritte Titel hat mir am meisten bedeutet. Der erste war wichtig für mich selbst. Der zweite fürs Publikum, denn dann hast Du die Leute für Dich gewonnen. Aber der dritte war der schwierigste, vor allem, weil Prost so ein großartiger Gegner war.
Später warst Du Berater bei Ferrari und dann Teamchef bei Jaguar. Warum lief es bei Letzteren für Dich nicht rund?
Die Amis haben sich das Team von Jackie (Stewart) gekauft und Jaguar draus gemacht. Dann haben sie eine Gruppe von Leuten zwei Jahre komplett unkoordiniert werken lassen und sich gewundert, warum sie nichts reißen. Ford war das alles wurscht. So etwas zu restaurieren, ist oft schwieriger, als von Null zu beginnen. Ich hab dann ein paar gute Köpfe dazu geholt, alles reorganisiert und umgekrempelt. Der dritte Platz von Irvine in Monza damals hat mich mehr gefreut als so mancher Sieg von mir selbst. Dann hat Ford plötzlich gemeint, sie müssten sich doch kümmern, und haben entschieden, dass nur ein Techniker ein Formel 1 Team leiten kann.
Und wie kam es dann zu Deinem neuerlichen Comeback in der Königsklasse bei Mercedes?
Das war eine tolle Herausforderung, die mich interessiert hat. Das Team hatte alle Möglichkeiten, war aber nicht erfolgreich. Wir haben gemeinsam das Team umstrukturiert und die Ressourcen besser genützt. Auf die Reglementänderung 2014 (Einführung der Hybrid-Motoren) waren wir klar am besten vorbereitet. Eine Marke wie Mercedes darf nicht hinterherfahren. Sie müssen sich mit Red Bull und Ferrari messen und das ist uns gelungen.
Wie lief die Umstrukturierung ab?
Über dem Rennteam gab es ein Board, in dem der Herr Haug (Mercedes-Motorsportchef, Norbert) und der Herr Brawn (Mercedes-Teamchef, Ross) sitzen – und der Herr Lauda wurde dann der neue Vorsitzende. Ich war die Verbindungsperson zwischen dem Rennstall und dem Konzern. Dann trat eines Tages Norbert am Ende einer Sitzung völlig überraschend zurück und wir brauchten einen Nachfolger. Da ist mir der Wolff eingefallen. Toto und ich sind nicht nur Businesspartner, sondern er ist auch mein halber Freund. Ganze habe ich ja keine.
Und angeblich wolltest Du auch Adrian Newey holen …
Ich hab mal bei ihm angeklopft, aber da ist der „Doktor“ (Helmut Marko, Red Bull Motorsportdirektor) dazwischen gegrätscht.
In „Rush“ wurde ein wichtiger Teil Deiner Karriere, ja Deines Lebens verfilmt. Warum hast Du Dich darauf eingelassen und wie beurteilst Du das Ergebnis?
Ich habe bestimmt dreißig Anfragen für Filme über mein Leben erhalten, die mich nie interessiert haben. Erst Peter Morgan und Ron Howard konnten mich überzeugen, dass sie wissen, was sie tun. Der Morgan hat mich in Wien zwanzigmal getroffen, um mich auszufragen. Dann hat er das Drehbuch geschrieben. Den Film habe ich erst gesehen, als er fertig war. Bei vielen Szenen las er mir vom Laptop vor und suchte meinen Rat. Beim Dreh war das ähnlich – der Daniel Brühl hat mich davor oft angerufen und mich Sachen gefragt, z. B. zieh ich zuerst die Handschuhe an und dann den Helm oder umgekehrt? Das hat mir echt Spaß gemacht und ich find auch den Film richtig gut. Mich hat besonders fasziniert, wie realistisch das gefilmt wurde, speziell die Spitalszenen. In London ist bei der Vorführung sogar jemand dabei ohnmächtig geworden.
Wenn Du es Dir aussuchen könntest, würdest Du lieber heute Rennfahrer sein als damals?
Natürlich. Es gibt zehnmal so viel Geld und Du hast praktisch null Risiko dabei zu sterben.
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