Vor dem F1 Saisonfinale in Abu Dhabi gab uns Ralf Schumacher in einer Medienrunde ein langes Interview, in dem er auf die Saison 2023 zurückblickt, die Topteams analysiert, „Hülk“s WM-Jahr beleuchtet, und über die Zukunft von Mick Schumacher spricht
Ralf, Fahrer-WM und Team-Titel sind vergeben. Gibt es in Abu Dhabi nun „Freies Fahren“ mit offenem Visier. Oder was erwartest Du?
Bei Max Verstappen geht es immer noch um einen Rekord: die meisten Siege in einem Jahr. Sonst hat Red Bull alles geschafft. Das heißt, Max wird relativ frei sein und er hat auch keine große Gefahr von Mercedes, auch wenn ihnen eine Überraschung gelingen kann, da die Strecke von Abu Dhabi dem Mercedes etwas besser liegt.
Wie fällt Dein Fazit zu dieser sehr umfangreichen, von Aufregern, Dramen, Überraschungen und einer Dominanz geprägten Saison aus?
Es gab natürlich hier und da Überraschungen. Vor allem muss man sagen, dass McLaren eines der wenigen Teams ist, das es geschafft hat, die Ergebnisse ins Positive zu drehen – natürlich noch mit Schwächen, vor allen wegen ihrer jungen Piloten. Was ich schwierig in der Formel 1 sehe: es fehlt die Erfahrung zur Weiterentwicklung der Autos. Das ist eine Tendenz, die mir nicht so gut gefällt. Bei Lewis Hamilton und Mercedes hat man das Gefühl, dass er weiterhin die klare Nummer 1 ist. Aber Mercedes ist grundsätzlich unzufrieden. Daniel Ricciardo ist sicherlich die Überraschung: Wiedergekommen und starke Leistung mit Alpha Tauri. Von dem her war die Saison 2023 eigentlich spannend ab Saisonmitte, wo man auch sieht, dass Red Bull langsam unter Druck gerät und Verstappen alle Register ziehen muss, um noch zu gewinnen.
Max Verstappen der momentan Unschlagbare auf Rekordjagd. Wie gut tut diese Dominanz der Formel 1 und dem Sport wirklich?
Ich glaube, dass diese starke Leistung dem Sport nichts abtut. Wir hatten das immer wieder einmal. Es gab solche Dominanzphasen von einzelnen Piloten: Lewis Hamilton, dann mein Bruder Michael oder auch Sebastian Vettel eine Zeit lang. Das ist halt in der Formel 1 so, weil der Sport nicht nur vom Fahrer abhängig ist, sondern vom Gesamtpaket aus Team, Fahrer, Motor und Chassis. Immer wieder hat mal irgendwer eine super schlaue Idee und ist dann insgesamt besser als alle anderen.
Mercedes und Ferrari fuhren auch mit, aber weit abseits der Titelchancen. Wie kann das solchen Highlevel-Teams passieren, so danebenzuliegen und dazu noch einfachste – und vermeidbare – Fehler zu begehen?
Bei Ferrari scheint es jetzt wenigstens mal in die richtige Richtung zu gehen. All das, was Frédéric Vasseur macht, scheint langsam zu funktionieren. Auch die Umstrukturierung im Team zeigt Wirkung, sodass man hoffen kann, dass es nächstes Jahr ganz gut passen wird. Der Motor hält jetzt und ist super leistungsstark. Mercedes ist ehrlich gesagt eine kleine Wundertüte. Da kann ich nur hoffen, dass sie es wirklich verstanden haben. Für mich steht eigentlich immer ein gelangweilter oder ratloser Toto Wolff bei uns im Interview, der in letzter Zeit manchmal einen abwesenden Eindruck macht. Da hat man ein bisschen das Gefühl, dass das Team zwar nicht auseinanderbricht, aber ein wenig kopflos ist. Und auch die Fahrer scheinen sich gar nicht grün zu sein: George Russell und Lewis Hamilton, die sich sehr bekämpfen. Man merkt Georges Nervenkostüm ist für seine Verhältnisse dünn geworden, er macht viele Fehler und ist sehr aggressiv beim Fahren. Da liegen noch eine Menge Aufgaben bei Mercedes.
Ein Blick durch die deutsche Brille: Viele Schlagzeilen, vor allem im Qualifying immer wieder gute Resultate, aber am Ende ging Haas mit Niko Hülkenberg die Luft aus…
Also zwei Sachen muss man sagen: Mein Gefühl ist, dass Nico gerne weggegangen wäre, die Möglichkeit aber nicht da war. Und, was soll ich sagen, das andere ist das Team Haas. Es ist einfach am Limit und wird in der jetzigen Konstellation der modernen Formel 1 nicht mehr gerecht. Nico ist stark zurückgekommen und speziell im Qualifying, das muss man ihm einfach lassen, ist er einfach eine Bank. Im Rennen war es am Anfang schwierig, auch im Vergleich zu Magnussen, weil der einfach die Erfahrung noch nicht hatte. Das hat sich im Laufe der Saison aber gedreht. Mit dem Update hat man das Gefühl, ist Magnussen zu alter Stärke zurückgekehrt. Das ist dann auch für Nico nicht ganz einfach gewesen.
Lange Zeit ein Gerücht, nun ist es offiziell: Mick Schumacher fährt bei Alpine einen Hypercar, bleibt aber parallel Reservefahrer bei Mercedes. Eine gute Chance für ihn?
Das finde ich schon mal gut, dass Mick bei Mercedes bleiben kann, weil er im Formel 1 Umfeld viel mitbekommt, das eine oder andere Mal auch fahren kann. Es ist auch für Mercedes gut, jemand zu haben, der schon mal Formel 1-Rennen gefahren ist und die Strecken kennt. Das macht Sinn. Dass er jetzt wieder Rennen fährt, finde ich auch sehr gut. Die WEC-Autos sind natürlich nicht mit der Formel 1 zu vergleichen, aber trotzdem sind sie sehr schnell. Da muss Mick sich schon auch ein bisschen umstellen. Das ist alles nicht ohne und es ist ein Teamsport. Man muss einen Kompromiss finden, der allen gefällt. Man darf nicht zu sehr pushen, nichts kaputt machen, und mit der WEC fahren sie auch auf Strecken wie in Le Mans im Dunkeln. Alles in allem eine riesige Herausforderung. Aber ich finde das mutig.
Groß angekündigt, seitdem nur ein Wabern – der Formel 1-Einstieg bei Audi. Zuletzt das Gerücht: Am Ende dieser Saison könnte der Rückzug vor dem Einstieg kommen. Wie fatal wäre das?
Dieses Szenario wäre ganz klar ein Desaster. Aber noch ist es nicht soweit. Ich kann mir nur wünschen, dass das Audi-Team, wenn es dann kommt, sportlich erfolgreicher ist und vor allen Dingen strukturell besser aufgestellt sein wird als die Kommunikation, die man bislang abliefert. Auch ich habe Gerüchte gehört, dass man sich dort irgendwelche Schweigegelübde auferlegt hat. Ich weiß nicht, warum es so schwer ist, dass die Audi-Konzern-Spitze einfach mal nach vorne geht und sagt: Wir kommen, alles ist auf Grün, alles läuft in die richtige Richtung. Und vor allem: alles ist im Plan. Ich möchte im Moment nicht in der Haut von Andreas Seidl stecken, der Leute sucht und jedem erklären muss, die Gerüchte seien Quatsch. Also das ist sicher nicht leicht.
Wenn Du in einer Formel 1-Management-Rolle wärst, was würdest Du 2024 anders machen?
Was ich ein bisschen schade finde, dass die Formel 1 auf einem inflationären Weg ist. Wir haben zu viele Rennen. Das würde ich anders machen. Ich glaube schon, dass die Belastung für alle Beteiligten sehr groß ist. Und dass man aus Las Vegas lernen muss: Die Uhrzeiten waren eine Katastrophe und auch die Jahreszeit war für solch ein Event ein bisschen zu kalt. Ansonsten kann man einfach auch einmal feststellen, dass was Liberty Media macht, ist schon super. Vielleicht hatte man auch ein bisschen Glück mit dem entstandenen Hype der Netflix-Berichterstattung. Aber Glück gehört den Tüchtigen! Ich bin sehr happy mit dem, was die Formel 1 macht. Sie ist offener geworden und auch die junge Generation interessiert sich wieder für den Sport. Das freut mich echt sehr!

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