Fernandes – Der Alleskönner

Tony-Fernandes-Businessman-of-the-Year-1Die Formel1 ist ein High-Tech Apparat mit vielen kreativen Köpfen. Aber kaum jemand ist so ein Allrounder wie Tony Fernandes. Als Kind träumte er davon, eine Fluglinie zu betreiben, einen englischen Fußballclub und ein Formel1-Team zu besitzen.

Schneller Aufstieg

Fernandes wurde in Kuala Lumpur geboren – als Kind eines indischen Vaters und einer portugiesischen Mutter. Bereits in jungen Jahren folgte er seiner Mutter Ena zu Tupperware-Händlerpartys. Damit wuchs er sozusagen ins Geschäftsleben rein. Seine Ausbildung absolvierte er am Epsom College und an der London School of Economics. Seine ersten Schritte ins richtige Geschäftsleben machte er als Financial Controller für Richards Bransons Virgin Records. 1991 hatte Fernandes erstmals Kontakt mit der Association of Chartered Certified Accountants (ACCA) und wurde im Jahr 1996 Mitglied.
Fernandes, begeisterter Gitarrist, kehrte in seine Heimat zurück und wurde der jüngste Managing Director von Warner Music. Als Time Warner und America Online zusammengelegt wurden, verließ er das Unternehmen um seinen Traum von einer eigenen Billig-Airline zu verwirklichen. Anstatt bei Null zu beginnen, erwarb er die schwer verschuldete AirAsia, die damals im Besitz der malaysischen Regierung lag. „Ich musste mein Haus verpfänden und meine persönlichen Ersparnisse einbringen, um zwei veraltete Boeing 737 zu bekommen“, erinnert er sich. In etwas mehr als einem Jahr verwandelte er die 11 Millionen Dollar verschuldete Fluggesellschaft in ein seriöses Unternehmen. Nach dem Vorbild der weltweit erfolgreichsten Billig-Fluggesellschaft, Ryanair, machte Fernandes aus der AirAsia eine Fluglinie, die von den Leuten entsprechend angenommen wurde. Der Erfolg stellte sich bald ein. Waren bis dahin nur sechs Prozent der Malaysier mit einem Flugzeug geflogen, so stieg die Zahl der Flugkunden sprunghaft an. „Die Hälfte aller Reisenden flogen zum ersten Mal“, erzählt Fernandes.
Basierend auf dem Konzept mit der Fluggesellschaft erwarb er 2007 die Tune Hotelkette. Fernandes investierte stark ins Marketing, denn „wenn man ein tolles Produkt hat, aber niemand davon weiß, dann ist es umsonst.“ AirAsia wurde fünf Jahre hintereinander in der „World Airline Umfrage“ von Skytax als „beste Billig-Fluglinie der Welt“ geführt.
Im Februar 2013 schätzte Forbes Asia Fernandes Vermögen auf 625 Millionen US-Dollar und führte ihn in der Forbes Liste auf Platz 21.
„AirAisa ist so etwas wie unsere Traumfabrik. Wir wollten ein Unternehmen haben, in dem die Mitarbeiter ihre Leidenschaft ausleben und ihre Talente nutzen können“, sagt der passionierte Pilot. Wie Mercedes-Benz F1-Boss Niki Lauda, fliegt auch Fernandes selbst regelmäßig mit seinen Flugzeugen. „Ich bekomme einen tollen Platz, ohne dafür bezahlen zu müssen. Es ist irgendwie komisch, aber ich fühle mich in AirAsia-Flugzeugen wohler als  in Flugzeugen anderer Airlines. Vielleicht weil ich um mein Personal bestens bescheid weiß. Aber ich bin natürlich voreingenommen“, lacht der malaysische Tycoon.

Sportliche Abenteuer

Fernandes ist schwer zu entmutigen. 2001, kurz nachdem die zwei Flugzeuge in die New Yorker Twin Towers krachten, rieten im Berater ab, eine Fluglinie in Angriff zu nehmen. Er tat genau das Gegenteil.
Kurz vor Weihnachten 2009 nahm Fernandes eine Herausforderung von Airline-Kollegen und Freund Richard Branson an. Beide sollte mit einem Team in die Formel1 einsteigen. Der Teameigner, der am Ende der Saison als Verlierer da stehen würde, müsste bei der Fluggesellschaft des Siegers dieses Duells einen Tag lang – verkleidet als Stewardess – arbeiten. Branson verlor die Wette und löste die Wettschuld im Mai 2013 ein.
Fernandes war endgültig vom Formel1 Virus infiziert und gründete das Formel1 Team Caterham F1 (ursprünglich Lotus Racing). Eingepackt in vollem Selbstvertrauen, Fernandes wurde vom Forbes Magazin zum „Unternehmer des Jahres 2010“ gekürt, machte er sich bei Caterham selbst zum Teamchef. Neben dem Caterham F1 Team, kämpft das „Junior-Team“ in der GP2.
Fernandes steig zudem im englischen Fußball ein. Er übernahm 66 Prozent der Anteile von Bernie Ecclestone an den Queens Park Rangers und wurde als neuer Mehrheitsaktionär vorgestellt. Allerdings machten sich er und Miteigentümer Flavio Briatore bei den Fans mit einer Ticketpreis-Erhöhung schnell unbeliebt. Sie überlegten einen Verkauf des Clubs und überlegten Ausstiegsmöglichkeiten. „Ich habe immer schon West Ham verfolgt, aber hatte auch immer schon ein Faible für die Queens Park Rangers. Ich wollte mich immer schon im Fußball engagieren und die Queens Park Rangers boten eine gute Gelegenheit dafür“, sagte er damals. Trotz der Investition von vielen Millionen Pfund in den Club schaffte er es nicht, die Rangers in der Premier League zu halten. Er hätte auch kein Interesse, einen größeren Verein wie Liverpool oder Arsenal zu besitzen. Das würde heißen, den Erfolg eines Anderen zu kaufen. „Ich kaufte die Queens Park Rangers und wir hatten im letzten Jahr eine schlechte Saison. Aber würde ich es wieder tun? Absolut, ja. Liverpool oder Arsenal zu kaufen – das wäre nicht ich. Ich würde den Erfolg eines anderen kaufen, weil ich Liverpool nicht zu dem Club gemacht habe, der er ist“, sagt Fernandes und überlegt bereits: „Wenn wir in zehn, zwölf Jahren etwas Besonderes um die Rangers aufgebaut haben, können wir zurücktreten und sagen: Wow, wir haben das gemacht.“ Fernandes pumpte in seiner ersten Saison rund 50 Millionen Pfund ins Stadion der Rangers. Er hat jedoch nicht die Absicht, jedes Jahr Millionen aus seiner eigenen Tasche in den Verein zu investieren. Fernandes rechnet mit TV-Einnahmen  und einem gesunden Wachstum – natürlich im Rahmen der Möglichkeiten. „Ich will auch die Fans so weit wie möglich involvieren. Sie zahlen gutes Geld und sind sozusagen die Akteure. Ich will, dass sie stolz auf ihren Club sind“, meint Fernandes. Mit seiner Art überrascht Fernandes viele konservative Bosse in der Premier League. Er ist für seine unkonventionellen Formen seiner Geschäftstätigkeiten bekannt. Um beispielsweise den Franzosen Loic Remy zu überzeugen hat sich Tony Fernandes an die Playstation gesetzt und mit ihm FIFA 2012 gespielt. Dieser unterschrieb für den Londoner Club und nicht für Newcastle United. „Das Spiel gegen ihn am Ende unserer Verhandlungsrunde zeigte mir seine menschliche Seite. Die Person, die er ist. Das hat mich überzeugt“, erzählte der Franzose.
Eine von Fernandes Stärken ist es, gute Mitarbeiter zu fördern. Er sieht sie als Schlüsselfaktoren im Unternehmen und unterstützt sie in ihrer Entwicklung, ihrem Potential, ihrer Leidenschaft und ihren Träumen. Frei nach dem Motto „Glaube ans Unglaubliche, träum das Unmögliche und wählen Sie nie ein Nein als Antwort“.
Dass er an seine Mitarbeiter glaubt und an diesen festhält, zeigte ein Beispiel am Taifun Yolanda. Nachdem der Taifun die Stadt Tacloban City zerstörte, suchte er dort einen seiner Mitarbeiter, der eben durch diese Katastrophe sein hab und Gut verloren hatte. Fernandes halb beim Wiederaufbau.
Seine AirAsia Foundation hat die Einrichtung Rags2Riches unterstützt. Rags2Riches ist eine NGO, die benachteiligten philippinischen Handwerkern hilft. Diese verwandeln Schrott in „High-Fashion-Taschen“ und andere brauchbare Dinge.

Traum von der Formel1

Fernandes weißt eine unglaubliche Leidenschaft auf. Nicht nur für seine Unternehmen, Mitarbeiter und gemeinnütze Einrichtungen, sondern auch für den Sport. In der Formel1 wollte er nicht klein beginnen. Er erwarb die Rechte am Namen Lotus, um mit der renommierten Marke nach 15-jähriger Abwesenheit ein Comeback zu feiern. Lotus hatte davor 491 Grand Prix bestritten, 79 davon gewonnen und sieben Konstrukteurs-Titel nach Hause geholt. Mario Andretti, Jim Clark, Graham Hill, Jochen Rindt und Emerson Fittipaldi sicherten Titel für Lotus.
Als Proton, die Muttergesellschaft der Lotus Gruppe, den internationalen Boom des Comebacks von Lotus in die Formel 1 und deren Auswirkungen erkannte, sollte die Lizenz gefährdet sein. Aber Fernandes handelte schnell mit dem Erwerb von Caterham Cars und benannte den Rennstall in Caterham F1 Team um.
Nachdem die „Umwandlung“ vollzogen war, belegte Caterham in der Saison 2011 Platz zehn in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft und zog ins Leafield Technical Centre in Oxfordshire, der ehemaligen Heimat von Arrows und Super Aguri F1. Fernandes sorgte zudem für Aufmerksamkeit, als er neben Heikki Kovalainen mit Vitaly Petrov den ersten russischen Formel1-Fahrer für 2012 unter Vertrag nahm. Caterham schloss die Saison in der Konstruktionswertung auf Platz zehn ab, Petrov fuhr im letzten Rennen in Brasilien auf Platz elf. Das letzte Jahr war für Caterham kein gutes. Caterham beendete die Saison auf Platz elf, hinter Marussia. Das, obwohl die Caterham Fahreuge schneller als jene von Marussia waren. Fernandes zog sich als Teamchef zurück und überlegte: „Ich hätte vielleicht mehr delegieren sollen. So wie ich es auch in meinen anderen Unternehmen mache. Das ist eben die Gefahr, wenn sich Leidenschaft und gesunder Menschenverstand duellieren. Du bist aufgeregt, lässt dich mitreißen und wirfst alles weg, in dem du gut bist – wie in der Planung oder Analyse.“
Nach einer enttäuschenden Saison 2013 drohte Fernandes damit, als Caterham-Eigentümer zurückzutreten, sollte das Team nochmals ganz hinten in der Wertung angesiedelt sein.

Wahrheit oder Pflicht

Der malaysische Wirtschaftsmagnat ist nicht mehr länger bereit, wenn das Team nicht in die Punkteränge fährt, noch mehr Geld zu investieren. „Meine Botschaft an die 250 Menschen in unserer Fabrik war, dass dies unsere letzte Chance ist. Wir haben die beste Infrastruktur, die besten potentiellen Fahrer. Es liegt nun an ihnen, ihre Arbeit zu machen“, teilte er seinen Mitarbeiter mit. 2014 fahren Kamui Kobayashi und der Schwede Marcus Ericsson für Caterham. Sie sollen nun das schaffen, was ihre Vorgänger in 77 Rennen nicht geschafft haben. „Nach fünf Jahren ohne Punkte ist eine Grenze erreicht. Wenn ich das Gefühl habe, dass wir mithalten können, dann passt es. Wenn nicht, müssen wir uns ernsthaft fragen, ob es noch einen Sinn macht“, sagt der 49-Jährige.
Fernandes denkt über die beiden Sportarten, Fußball und Formel1, nach: „Jede Woche besuche ich Spiele und bin nervös wie die Hölle. Egal, gegen wen wir spielen, Fußball ist unberechenbar. Und Fußball boomt. Was wird hier richtig gemacht, was wir in der Formel1 falsch machen? In der Formel1 gibt es immer die gleichen drei, vier Teams, die gewinnen können. Es gibt keinen Underdog, der es vorne rein schafft. Im Fußball kann Yeovil in einem Cupspiel Manchester United schlagen, es kann alles passieren. In der Formel1 ist die Kluft zwischen großen und kleinen Teams groß. Das macht Rennen langweilig.“
Für die kommende Saison hat der Träger des „Legion d‘Honour Ordens“ und „Kommendeur des Ordens des britischen Empire“ eine „Wahrheit oder Pflicht“-Mission. Die massiven Regeländerungen zwingen alle Teams dazu, neu zu beginnen. Das ist eine Chance für Caterham, Boden gut zu machen.

Text: Harry Miltner

 

Posted in ,

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Sie müssen eingeloggt sein, um einen Kommentar abgeben zu können.