Eine Fahrt ins Ungewisse

FORMULA 1 - Abu Dhabi GPDie Formel-1-Saison 2014 wartet mit zahlreichen Neuerungen auf. Dennoch sind sich die Experten einig, dass sich mittelfristig wieder die Topteams durchsetzen werden.

Nur wenige Motorsport-Fans werden sich noch daran erinnern wie Renault 1977 beim Grand Prix von Großbritannien in Silverstone einführte. Obwohl Fahrer Jean-Pierre Jabouille wenig Glück mit dem unzuverlässigen RS01 Boliden hatte und im Fahrerlager als “Gelber Teekocher” ausgelacht wurde, war dies der Anfang der Turbo-Ära. 1980 hatte Renault endlich den Dreh heraussen und der Turbo sich endgültig durchgesetzt. Das Aggregat hatte deutlich mehr Power als der Ford-Cosworth Motor, oder die Maschinen von Ferrari und Alfa Romeo. Ein Jahr später folgte Ferrari und 1982 Brabham, 1983 Alfa Romeo, danach Honda und Porsche (als TAG Turbo). Der Brasilianer Nelson Piquet wurde 1983 der erste “Turbochampion” und Mitte der 1980er hatte jedes Team einen Turbo im Heck. Am Ende der Dekade wurden die Turbos, die bereits bis zu 1.350 PS erreicht hatten, verboten. 2014 kehren sie wieder zurück und ersetzen auf Geheiß der FIA die 2.4 Liter V8 Saugmotoren. Die neuen Motoren sind 1.6 Liter V6 Turbos mit ERS Hybridsystem (Energy Recovery System) um die Formel 1 umweltfreundlicher und billiger zu gestalten. Aber wer das glaubt, ist leider zu naiv.

Ausrede Umwelt

Radikale Regeländerungen waren in der Formel 1 historisch gesehen immer ein Mittel die Rennserie wieder offener zu gestalten und Siegesserien von Dominatoren zu beenden. Das hat unter anderem zum Verbot der Turbos vor der Saison 1989 – um zahlreiche Traditionsrennställe wieder konkurrenzfähig zu machen – oder dem Verbot von Reifenwechseln zum Meisterschaftsjahr 2005 hin  – wodurch Michael Schumachers und Ferraris Überlegenheit gebrochen wurde – geführt. Nachdem nun Sebastian Vettel vier WM-Titel in Serie einfuhr, wussten F1 Zampano Bernie Ecclestone und FIA Präsident Jean Todt was zu tun war. Immerhin konnte Vettel mit seinem Red Bull Renner die letzten neun Rennen der Saison 2013 für sich entscheiden und verursachte so eine gewisse Überdrüssigkeit unter den Fans. Daher kam der weltweite Ruf nach umweltfreundlicheren Maßnahmen gerade recht und es wurde kurzerhand ein “grüner Motor” beschlossen, der die massiven Regeländerungen rechtfertigen würde. Da die kleineren Teams ohnehin schon finanziell stark gebeutelt sind, können sie keine eigenen Motoren entwickeln und müssen diese zukaufen. Allerdings kosten die neuen Aggregate von Mercedes, Ferrari oder Renault bis zu dreimal so viel wie im Vorjahr. Geht man davon aus, dass Teams wie Caterham oder Marussia über rund EUR 75 Millionen verfügen, verschlingen die Kosten für die neuen Motoren knapp ein Drittel des Budgets. Alle Änderungen zusammen machen die Serie mindestens 25% teurer. 2013 zahlte das von der Wienerin Monisha Kaltenborn geführte Sauber F1 Team für die Ferrari-Motoren kolportierte 10 Millionen Dollar und eine weitere für KERS. Im Gegensatz dazu kosten die „grünen V6 Motoren“ 30 Millionen Dollar, weswegen zahlreiche Teamchefs und Cheftechniker überzeugt sind, dass die neue Regel den Abstand zwischen den großen und kleinen Teams nur noch größer machen wird, weil Erstere die Preiserhöhung leichter abfangen können.

Zeitpunkt falsch

Williams-Technikchef Pat Symonds ist sicher, dass ein ausgeglichenes Feld nicht durch Regeländerungen, sondern durch Stabilität gewährleistet werden kann. „Wenn man die Regeln umkrempelt um die Sache umweltfreundlicher zu machen, machst die Rennen nicht spannender. Der neue Motor und ihn laufen zu lassen, ist deutlich teurer. Das trifft die Teams im Mittelfeld und am Ende des Feldes wesentlich härter.“ Bob Fernley, Vizechef bei Force India, stimmt dem zu: „Die Schere zwischen den Topteams und denen weiter hinten in der Startaufstellung hängt natürlich stark damit zusammen, wie viel sie für Entwicklung ausgeben können. Jeder von uns gibt ca. EUR 100 Millionen aus um Rennen zu fahren. Aber was immer Du dann noch übrig hast, steckst Du in die Entwicklung. Und wenn Ferrari dann noch 100 Millionen übrig hat und wir nur mehr 10, dann weißt Du, wo der Unterschied liegt.“ Aber auch Red Bull Teamchef Christian Horner ist mit den umfassenden Änderungen nicht glücklich. Er hält vor allem das Timing für verfehlt – was man ihm angesichts der massiven Überlegenheit seiner Boliden nicht verübeln kann. „Die neuen Regeln wurden zum falschen Zeitpunkt eingeführt. Wenn man sieht, dass zahlreiche Wagen mit sehr wenigen Sponsoraufklebern herumfahren, dann muss der Zeitpunkt sicher hinterfragt werden. Natürlich muss die Formel 1 mit der Zeit gehen und für die Automobilindustrie interessant bleiben, aber Kritik am Timing muss erlaubt sein.“

Kleine Hoffnungsschimmer

Der einzige Umstand, der die Sache für die kleinen Teams retten könnte ist, dass es noch weitere Regeländerungen gab (siehe Kasten). Diese Änderungen beziehen sich auf die Benzinmenge, das Gewicht und die Chassisform. Die Fahrer müssen mit 50kg weniger Sprit auskommen, allerdings sollte der Benzinverbrauch auch sinken, wenn, ja wenn das neue Hybridsystem funktioniert. Wie die Testfahrten vor der Saison aber zeigten, sieht es vor allem mit der Standfestigkeit bei den meisten Teams nicht sehr rosig aus. Am meisten Probleme hatte dabei Red Bull Racing – in erster Linie bedingt durch den Renault Motor – wo Titelverteidiger Sebastian Vettel auf gerademal 15 Runden am Stück kam, während der Schnitt der anderen Teams bei 50 lag. Sein Boss Horner ist daher überzeugt, dass es “gerade in den ersten Rennen bis zu 50% Ausfälle geben kann. Dadurch können auch kleinere Teams punkten.” Bei den Tests machten von den “Kleinen” vor allem Williams und Force India von sich reden.

Kreativität gefragt

Erstmals seit Jahren sehen die unterschiedlichen Autos nicht mehr gleich aus, sondern die Technikabteilungen haben zahlreiche Lösungsansätze gewählt. Nachdem die FIA, zum Beispiel, aus Sicherheitsgründen die Front der Fahrzeuge deutlich tiefer hat legen lassen, mussten sich die Ingenieure der Teams, die gerne viel Abtrieb durch den Unterboden generierten, was einfallen lassen. Das Regulativ schreibt zwar vor, dass der Wagen vor dem Fahrer 625 mm und bei seinen Beinen 525 mm hoch sein muss, aber nicht wie viel Platz zwischen diesen beiden Höhen sein muss. Daher haben einige Teams einfach eine senkrechte 10 cm Wand gleich nach dem Cockpit eingebaut, die nicht schön, aber nützlich ist. Besonders spannend wird auch zu sehen sein, wie die Teams, allen voran Red Bull, mit dem Verbot des angeblasenen Diffusor umgehen wird. Damit fiel ein aerodynamischer Geniestreich von Designer Adrien Newey dem Rotstift zum Opfer. Die Änderungen könnten aber tatsächlich zu Überraschungen führen. Denn wir erinnern uns, dass 2009 Ross Brawn für seinen Brawn GP Wagen den sogenannten “Doppeldiffusor” entwickelte und Jenson Button damit sensationell Weltmeister wurde…..

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