Der gezüchtete Champion

 Formel 1 Weltmeister Lewis Hamilton ist das beste Beispiel dafür, dass man Erfolg im Motorsport mit den richtigen Voraussetzungen planen kann

Lewis Carl Davidson Hamilton wurde im Jänner 1985 in der englischen Kleinstadt Stevenage geboren. Mit 12 zogen Vater Anthony und Lewis mit seiner Stiefmutter Linda und Halbbruder Nicolas zusammen. Der an einer zerebralen Bewegungsstörung leidende Nicolas wurde über die Jahre hinweg, Lewis’ bester Freund und größter Motivator. „Wenn ich sehe, was Nic alles durchmacht und wie er das meistert, dann sind meine sportlichen Erfolge gar nichts“, betont der Star-Pilot mit karibischen Wurzeln immer wieder aufs Neue. 1991 kaufte Anthony seinem Sohn ein ferngesteuertes Auto. Der Knirps zog gleich die erwachsenen Stars ab und wurde britischer Vizemeister.

Als Belohnung gab es zu Weihnachten ein Go-Kart und sein Vater versprach dem damals Sechsjährigen seine Rennfahrer-Karriere so lange zu unterstützen, solange er in der Schule brav lernen würde. “Das klang nach einem fairen Deal“, lacht Hamilton heute, der in seiner Jugend übrigens auch mit ManU Star Ashley Young im Schulteam kickte. Anthony hatte zweitweise drei Jobs um den Rennsport für den Junior finanzieren zu können. „Umso schöner war es für mich zu sehen, dass Lewis sich so gut entwickelte und sich der ganze Stress lohnte“ so Hamilton senior heute. Lewis fand sich im Kart sofort zu recht und heimste reihenweise Pokale ein. 1995 gewann er die Britische Meisterschaft und stellte sich gleich bei Schirmherrn Ron Dennis vor. „Hallo, ich bin Lewis Hamilton. Ich habe gerade die Meisterschaft gewonnen und eines Tages möchte ich in Deinen Rennwagen fahren.“ Dennis war verzückt und schrieb dem Steppke auf einen Zettel „Ruf mich in neun Jahren an und wir finden eine Lösung.“ Der McLaren Boss rief Hamilton aber bereits drei Jahre später an als dieser die Super One Kart Serie gewonnen hatte. Er nahm ihn in sein Piloten-Programm auf mit der Option auf ein Formel 1 Cockpit.

Titelsammeln bis zur Formel 1

In der Zwischenzeit erfüllte Lewis seinen Teil des Deals und gewann ein Rennen nach dem anderen, eine Meisterschaft nach der anderen. 2000 wurde er Kart Europameister und schlug dabei auch seinen Teamkollegen Nico Rosberg mit dem er heute bei Mercedes wieder vereint ist. 2001 stieg er in den Formelsport auf und ging in die britische Formel Renault. In seiner zweiten vollen Saison gewann er für Manor Motorsport den Meistertitel. 2004 wechselte Hamilton in die Formel-3-Euroserie. Wieder in seinem zweiten Jahr gewann er mit ASM Formule 3 15 von 20 Rennen und sicherte sich den Meistertitel vor seinem Teamkollegen Adrian Sutil. 2006 ging es in die GP2-Serie, die im Rahmenprogramm der Formel 1 ausgetragen wurde. Hamilton übernahm das ART Racing Team Cockpit von Nico Rosberg, der ein Jahr zuvor die Meisterschaft gewonnen hatte. Mit fünf Siegen und neun Podestplätzen gewann er den Meistertitel vor Nelsinho Piquet.

Im November desselben Jahres bestätigte McLaren-Mercedes Hamilton offiziell als zweiten Fahrer neben dem regierenden Weltmeister Fernando Alonso. Bereits in seiner ersten Formel 1 Saison brach der Brite zahlreiche Rekorde, holte seine erste Pole Position, seinen ersten GP-Sieg und wurde Vizeweltmeister. Ohne das interne Stallduell mit Alonso, hätte er wohl schon in seiner Debütsaison den Titel geholt. Diesen ließ er dann 2008 folgen und krönte sich zum damals jüngsten Champion der Formel-1-Geschichte. Wieder war das Saisonfinale extrem eng, denn Hamilton ging zwar mit sieben Punkten Vorsprung auf Felipe Massa ins letzte Saisonrennen in Brasilien. Zehn Runden vor Schluss setzte heftiger Regen ein und wirbelte die Reihenfolge völlig durcheinander. Massa fuhr als Erster über die Ziellinie, während Hamilton in der vorletzten Runde von Sebastian Vettel überholt wurde und nur noch Sechster war. Zu diesem Zeitpunkt wäre Massa Weltmeister gewesen. Der auf Trockenreifen fahrende Timo Glock im Toyota büßte jedoch auf der immer feuchter werdenden Piste seinen Vorsprung ein und Hamilton zog in der letzten Kurve der letzten Runde des letzten Rennens vorbei. Er wurde mit nur einem Punkt Vorsprung der bis dahin jüngste Weltmeister der Formel-1-Geschichte.

Achterbahn vor Silber

Zwischen 2009 und 2012 zählte McLaren nicht mehr zur absoluten Spitze. Dennoch blieb Hamilton dem Team treu und holte aus dem Wagen zahlreiche Siege heraus. Allerdings begann sein Privatleben und seine On/Off Beziehung mit Sängerin Nicole Scherzinger die Presse mehr zu interessieren als seine sportliche Karriere. Er brach auch für einige Zeit mit seinem Vater und lebte einen pompösen Lebensstiel, wie man es in Großbritannien seit James Hunt nicht mehr gesehen hatte. „Hamilton wandelt oft auf einem schmalen Grat zwischen Genie und Chaos. Ab und zu geht es schief, aber in vielerlei Hinsicht wiegt das Gute schwerer als das Schlechte. Wir erwarten von den Fahrern, dass sie unfehlbar und unbesiegbar sind, aber das gilt für niemanden. Hamilton trägt sein Herz auf der Zunge“, so Rennlegende David Coulthard. Ende 2012 wurde Niki Lauda von Mercedes als neuer Vorstand Motorsport und Boss des erfolglosen Formel-1-Teams installiert.

Der Österreicher wusste um das Können von Hamilton und lotste ihn zu den Silberpfeilen. „Mit einem neuen Mann kommt eine frische Motivation. Die Verpflichtung eines Top-Fahrers lässt alle mit Ehrfurcht aufschauen. Mercedes wollte Rosberg und (Michael) Schumacher behalten, aber ob Michael weitermachen würde war mehr als zweifelhaft. Also fuhr ich mit dieser Perspektive nach Singapur und habe am Freitag vor dem Rennen mit Lewis gesprochen. Es war eine Premiere für mich – mit einem fremden Mann um 2:00 Uhr Früh ins Hotelzimmer zu gehen. Er fragte, warum er McLaren und ein Siegerauto gegen einen schwächelnden Mercedes eintauschen solle. Ich sagte ‚Du fährst seit deinem zwölften Lebensjahr bei McLaren. Für deine Weiterentwicklung musst Du Risiken eingehen. Stell dir vor, Du wirst mit Mercedes Weltmeister. Da bist Du berühmter als Schumacher und Fangio zusammen.‘ Da hat es bei Lewis geklickt.“ Die Fahrerpaarung Hamilton/Rosberg sei im Nachhinein die wichtigste Vorentscheidung für den Kurswechsel bei Mercedes gewesen, ist sich Lauda aus heutiger Sicht sicher. Beim dritten Grand Prix für Mercedes gab’s das erste Podium für den Briten und auf seiner Lieblingsstrecke in Budapest den Premiersieg in Silber. Sein zweites Jahr bei Mercedes wurde zum Triumphzug und brachte Hamilton den zweiten WM-Titel ein. Er setzte sich in einem saisonlangen Duell im letzten Rennen in Abu Dhabi gegen seinen Teamkollegen Nico Rosberg durch. 2015 blieb er bislang das Maß der Dinge und holte sich zehn Rennen fünf Sieg. Damit führt der mittlerweile 30-Jährige die Weltmeisterschaft zur Halbzeit an und steuert auf Titel Nummer 3 zu. Damit würde er mit seinem großen Idol, dem 1994 verstorbenen Ayrton Senna gleichziehen. An Siegen fehlen ihm mit 38 Erfolgen nur mehr drei auf Sennas 41. Die bis dato erfolgreichsten Engländer Nigel Mansell (31 Siege) hat er bereits hinter sich gelassen.